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Die Authentizität von Tränen: Eine interkulturelle Untersuchung der Wahrnehmung von Aufrichtigkeit

    Die allgemeine Auffassung, dass emotionale Tränen ein Zeichen von Aufrichtigkeit sind, wird in einer Studie von Wróbel et al. (2025) hinterfragt, die sich mit den komplexen Faktoren befasst, die die Wahrnehmung von Tränen als ehrlich oder manipulativen „Krokodilstränen“ beeinflussen. Die Studie zielte also darauf ab, die situativen, individuellen und kulturellen Einflüsse auf die Wahrnehmung emotionaler Tränen als aufrichtig zu erforschen.

    Die Untersuchung umfasste eine Vorstudie mit 7.007 Teilnehmern, die erste Hinweise darauf lieferte, dass emotionale Tränen die Wahrnehmung von Ehrlichkeit steigern können, wobei dieser Effekt je nach situationalem Kontext oder dem Geschlecht der Zielperson variiert. Aufbauend auf diesen Erkenntnissen wurden zwei Hauptstudien mit 3.488 Teilnehmern aus fünf verschiedenen Ländern – Norwegen, Polen, Südafrika, Kanada und dem Vereinigten Königreich – durchgeführt. Den Teilnehmern und Teilnehmerinnen wurden standardisierte und nicht-standardisierte Porträts von weinenden und nicht-weinenden Personen in verschiedenen potenziell manipulativen oder nicht-manipulativen Kontexten präsentiert, wobei auch die wahrgenommene Warmherzigkeit der dargestellten Gesichter variierte. Die Probanden wurden gebeten, die Ehrlichkeit der gezeigten Personen zu beurteilen, insbesondere ob die Tränen aufrichtig oder strategisch waren.

    Die Gesamtergebnisse zeigten, dass der Einfluss von Tränen auf die Wahrnehmung von Ehrlichkeit eher gering war. Es gab jedoch auffällige Ausnahmen: Tränen erhöhten die wahrgenommene Ehrlichkeit signifikant stärker bei Personen, die allgemein als weniger warmherzig empfunden wurden. Dies umfasste sowohl Männer, die stereotypisch weniger warmherzig erscheinen, als auch Frauen, deren Gesichter weniger gefühlvoll wirkten. Die Forscher postulierten, dass Tränen für diese Gruppen sozial nützlicher sein könnten, da ihr Weinen eher als ein echtes, unerwartetes Signal wahrgenommen wird, was die Beobachter dazu motiviert, Hilfe anzubieten. Manipulative Kontexte reduzierten die Wahrnehmung von Ehrlichkeit leicht, diese Effekte wurden jedoch durch die Merkmale der Zielperson moderiert. Interessanterweise zeigten Personen mit hohen Psychopathie-Werten eine geringere Bewertung der Ehrlichkeit bei Zielpersonen mit emotionalen Tränen.

    Diese Ergebnisse belegen also, dass die Frage, ob emotionale Tränen Ehrlichkeit signalisieren, stark von verschiedenen individuellen, situationalen und kulturellen Faktoren abhängt, wobei die geringen Effektstärken der Studie jedoch die Notwendigkeit verbesserter Manipulationen und ökologisch validierterer Designs in zukünftigen Forschungsarbeiten unterstreichen, um ein umfassenderes Verständnis dieses vielschichtigen Phänomens zu erlangen.

    Literatur

    Wróbel, M., Zickfeld, J. H., & Ciesielski, P. (2025). The honesty behind tears: Situational, individual, and cultural influences on the perception of emotional tears as sincere. PLOS One, 20), doi:10.1371/journal.pone.0324954


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