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Der Einfluss von Beziehungsmacht auf außerdyadisches Verlangen

    In romantischen Beziehungen gilt die Nähe zum Partner als ein zentrales Element für Vertrauen und Bindung. Doch Machtverhältnisse innerhalb dieser Beziehungen bergen ein ambivalentes Potenzial: Sie können nicht nur das Selbstbewusstsein stärken, sondern auch das sexuelle Interesse an Alternativen außerhalb der Beziehung wecken. Eine Studie von Birnbaum et al. (2025) beleuchtete dieses Spannungsfeld und zeigte, dass sich hinter der Fähigkeit, den Partner zu beeinflussen, eine subtile Gefahr für die Stabilität der Partnerschaft verbergen kann. In vier methodisch unterschiedlichen Studien mit mehreren hundert Teilnehmenden untersuchte man, ob die Wahrnehmung von Macht in einer romantischen Beziehung zu einem verstärkten außerdyadischen Verlangen führt – also dem Interesse an anderen potenziellen Sexual- oder Beziehungspartnern. Die Studien umfassten sowohl kontrollierte Laborsituationen als auch Erhebungen im Alltag von Einzelpersonen und Paaren. So sollten die Probandinnen und Probanden unter anderem beschreiben, wie es sich anfühlt, wenn sie eine Entscheidung ihres Partners beeinflusst haben, sexuelle Fantasien niederschreiben, attraktive Fotos bewerten oder berichten, ob sie geflirtet oder sexuelle Kontakte außerhalb der Beziehung gehabt hatten. Kontrollgruppen, die keine Machtszenarien reflektierten, zeigten signifikant weniger Anzeichen von außerdyadischem Begehren.

    Ein zentrales Ergebnis dieser Untersuchungen ist die Rolle des Selbstwertgefühls. Die Erfahrung, den Partner oder die Partnerin lenken oder kontrollieren zu können, führt zu einem gesteigerten Selbstvertrauen. Dieses erhöhte Selbstwertgefühl wiederum verstärkt die Wahrnehmung der eigenen Attraktivität im Vergleich zum Partner. Wer glaubt, im Vergleich die „bessere Partie“ zu sein, fühlt sich nicht nur begehrenswerter, sondern auch weniger gebunden an die bestehende Beziehung. Diese Dynamik senkt die Motivation, die Beziehung aktiv zu schützen – etwa durch den bewussten Verzicht auf Flirts oder sexuelle Kontakte mit Dritten. Interessanterweise zeigte sich, dass nicht die Macht selbst, sondern die daraus resultierende Einschätzung des eigenen „mate value“ – also des Werts auf dem Partnermarkt – ausschlaggebend für das außerdyadische Interesse ist. Macht entfaltet ihren destabilisierten Einfluss demnach nur dann, wenn sie mit dem Gefühl einhergeht, attraktiver oder begehrenswerter zu sein als der eigene Partner. In einer Zeit, in der Selbstoptimierung und individuelle Freiheit zunehmend betont werden, zeigt sich einmal mehr, wie entscheidend eine ausgewogene Machtbalance für die Stabilität und Treue in Beziehungen sein kann.

    Literatur

    Birnbaum, G. E., Kanat-Maymon, Y., Zholtack, K., Avidan, R. & Reis, H. T. (2025). The power to flirt: Power within romantic relationships and its contribution to expressions of extradyadic desire. Archives of Sexual Behavior, 54, 139–156.


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