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Der Blickkontakt in der Körpersprache

Die Menschen werden vergessen, was du gesagt hast.
Die Menschen werden vergessen, was du getan hast.
Aber die Menschen werden nie vergessen,
wie sie sich in deiner Gegenwart gefühlt haben.
Maya Angelou

Augenkontakt herzustellen bildet einen wesentlichen Aspekt erfolgreicher Gesprächsführung bzw. Interaktion. Die Interaktion zwischen zwei Menschen beginnt in der Regel mit einem längeren Augenkontakt, der prüft, ob der andere überhaupt zu einem Kontakt bereit ist. Besonders die äußere Erscheinung hat eine große Bedeutung für den ersten Eindruck, denn je nachdem, welche Bedeutung Kleidung und Aussehen für einen Beobachter haben, werden schon in dieser kurzen Zeit oft Weichen für die eigenen Gefühle gestellt, wobei die Bewertung der äußeren Erscheinung auch einiges über das Selbstverständnis aussagt, etwa ob er sich durch die Kleidung oder Haartracht einer bestimmten Gruppe zugehörig fühlt, wie er sich selbst sieht beziehungsweise gesehen werden möchte, über Lebensumstände und Status und nicht zuletzt über seine Persönlichkeit.

Der Blickkontakt ist auch das wichtigste Gefühls- und Stimmungsbarometer für andere, was Informationen wie Überraschung oder Erschrecken, Staunen, Ängste oder Verlegenheit übermittelt. Auch eine gewisse Anspannung im Sinne von Unsicherheit oder dem Bewusstsein einer heiklen Situation schlägt sich in wesentlich häufigeren Blickkontakten mit kurzer Blickdauer nieder. Bei kaum einem anderen Element der Körpersprache gibt es so viele feststehende Redewendungen wie: Das war Liebe auf den ersten Blick! oder: Wenn Blicke töten könnten.


Die Liebe auf den ersten Blick gibt es nach Ansicht von Wissenschaftlern übrigens relativ häufig, denn etwa die Hälfte aller Beziehungen basiert nach Angaben der Menschen darauf. Aus der Psychologie weiß man, dass drei Sekunden genügen, um auf unbewusster Ebene eine Entscheidung für oder gegen das Gegenüber zu treffen, wobei Statusaktoren keine Rolle spielen. Sich auf den ersten Blick zu verlieben hängt allein von der äußeren Attraktivität des Gegenübers ab, wobei zuerst das Gesicht und dann die Stimme wahrgenommen wird. Das führt dazu, dass etwa große Männer als attraktiver eingestuft werden als kleine, schlanke bzw. gut gerundete Frauen eher als übergewichtige. Bei der Liebe auf den ersten Blick sind die Gefühle deshalb besonders stark, weil sie so überraschend kommen und keine Zeit bleibt, sich darauf einzustellen. Der Körper produziert in dieser ersten Zeit vor allem Serotonin und Dopamin, wodurch der Testosteronspiegel erhöht wird. Nach knapp sechs Monaten dominiert wieder Oxytocin, wobei dann die Zeit von Nähe und Bindung beginnt.

Liebe auf den ersten Blick nur eine Illusion?

In Befragungen sagen etwa ein Drittel Prozent der Menschen, sie hätten Liebe auf den ersten Blick selbst erlebt und zehrten noch immer davon. Zsok et al. (2017) ließen etwa Frauen und Männer Bilder potenzieller Partner bewerten und organisierten danach Speed-Dating-Sitzungen, bei denen die Teilnehmer Unbekannte trafen, wobei alle danach ihre Gefühle schildern mussten. Davon gaben immerhin zweiunddreißig Teilnehmer an, sie hätten bei mindestens einer der Begegnungen Liebe auf den ersten Blick empfunden. Bekanntlich reichen hundert Millisekunden, um bei anderen Menschen zu einem Eindruck zu gelangen, der später auch kaum mehr revidiert wird. Die Probanden in diesen Versuchen erlebten allerdings keine wirkliche Liebe, sondern Anziehung, Begierde oder Sehnsucht nach dem ersten Blick, die sich ausschließlich an physischer Attraktivität entzündete. Dabei waren es fast nur männliche Teilnehmer, die auf diese Weise entflammten, was wohl daran liegt, dass Männer besonders auf das Äußere achten, während für Frauen Bindungsbereitschaft und Status wichtiger sind, was sich nicht in so kurzer Zeit feststellen lässt. Generell stellt sich Liebe auf den ersten Blick in der Regel erst in der Rückschau ein, daher handelt es sich um eine Illusion und ist daher meist eine konstruierte, gemeinsame Erinnerung, die einer Beziehung Bedeutung und Einzigartigkeit verleiht.


Die erste Phase ist meist dadurch gekennzeichnet, dass man sich und dem anderen die Option offen hält, den Kontakt weiterzuführen bzw. eine Unterhaltung zu beginnen. Diese Möglichkeit wird dadurch überprüft, indem derjenige, der die Unterredung wünscht, etwa fragt, ob er stört. Während dieser ersten visuellen Kontaktaufnahmen lässt sich der Kontakt noch weitgehend problemlos und ohne Verärgerung abbrechen, während dies zu einem späteren Zeitpunkt nur noch mit Erklärungen möglich sein wird.

Viele  Menschen  sehen übrigens,  wenn  sie  ein  Gespräch  beginnen, zunächst noch einmal kurz auf die Seite, um die Chance zur Kontaktverweigerung zu unterstreichen.

Der Blickkontakt ist in der menschlichen Kommunikation ein wichtiges Gefühls- und Stimmungsbarometer für das jeweilige Gegenüber, das auch Informationen wie Überraschung oder Erschrecken, Staunen, Ängste oder Verlegenheit anzeigt. Mit den Augen nimmt man in der Regel zuerst wahr, auch eine gewisse Anspannung im Sinne von Unsicherheit oder dem Bewusstsein einer heiklen Situation schlägt sich in der Häufigkeit und Intensität von Blickkontakten nieder. Studien zeigen auch, dass Menschen ein Gesicht als attraktiver bewerten, wenn sie direkten Blickkontakt zum Gegenüber haben, denn dieser aktiviert im Gehirn sowohl die für Gefühlsleben zuständige Areale wie auch die Belohnungszentren im Gehirn. Der positive Eindruck, den ein attraktives Gegenüber  hinterlässt, führt dazu, dass man die betreffende Person idealisiert, d. h., man schreibt ihr mehr positive Eigenschaften zu als realistischerweise bekannt sein können. Vermutlich ist diese Neigung zentral für das Verlieben, denn würde die Liebe nur auf Fakten basieren, hätte sie kaum eine so starke Wirkung. Was man als Liebe auf den ersten Blick bezeichnet, ist also eine körperliche Anziehung, die die Bereitschaft steigert, eine Beziehung einzugehen, doch damit dieses kurze Gefühl in anhaltende Zuneigung mündet, muss man einander kennen lernen. Erst wenn die Gefühle Bestand haben, nachdem der erste Eindruck einem realistischeren Bild vom anderen gewichen ist, kann man von Liebe sprechen.

Menschen lernen schon ab der frühen Kindheit, bei der Kommunikation  eher auf die Augen als auf andere Teile des Gesichts zu achten, denn die meisten Emotionen lassen sich über den Blick transportieren, denn man sagt etwa, dass Blicke strafen, verführen oder besänftigen können, dass man sich in ihnen verlieren oder sie auch missverstehen kann, manche können buchstäblich sogar töten. Nicht nur bei Hunden und anderen Tieren gilt, dass man sie nicht zu lange anstarren sollten, sondern auch Menschen kann man sehr verschrecken, wenn man ihnen zu lange in die Augen blickt. Psychologen haben Menschen aus über fünfzig Nationen kurze Videos vorgeführt, in denen sie von Schauspielern verschieden lange betrachtet wurden, wobei sich zeigte dass der bevorzugte Durchschnittsblick 3,3 Sekunden dauern sollte, wobei der Wert über alle Altersgruppen hinweg stabil und unabhängig von Geschlecht, Persönlichkeit oder Attraktivität zu sein scheint. Allein Männer wollen mit steigendem Alter immer länger angesehen werden, sofern ihnen eine weibliche Schauspielerin in die Augen sah. Dabei verrät die Reaktion der Pupillen, ob Menschen längeren Augenkontakt als angenehm empfinden oder nicht, denn wer den Blick des anderen mag, reagiert mit einer Weitung der Pupillen. Die Weitung der Pupillen ist eine unwillkürliche Reaktionen des autonomen Nervensystems und ist ein Hinweis auf körperliche Erregung, der sich mit anderen Veränderungen wie von Puls und Hautwiderstand deckt.

Häufig wendet man sich in einem Gespräch, wenn man nach den richtigen Worten sucht,  den Blick vom seinem Gegenüber ab. Das Abwenden des Blicks hat in diesem Fall aber nichts mit Unsicherheit oder Schüchternheit zu tun, sondern es ist  das menschliche Gehirn dafür verantwortlich. Das Gehirn kann sich nämlich schwer gleichzeitig auf ein Gesicht konzentrieren und zur selben Zeit die richtigen Worte finden, wobei je komplexer diese sind, umso schwerer fällt es dann, den Blickkontakt zu halten. In einer Studie (Kajimura & Nomura, 2016) mussten Probanden ein Wortassoziationsspiel absolvieren, während ihnen computeranimierte Gesichter gezeigt wurden, die sie anstarrten. Wenn die StudienTeilnehmer und Teilnehmerinnen direkt in die Augen Gesichter blickten, fiel es ihnen wesentlich schwerer,  Wörter miteinander zu assoziieren.

Mehr dazu unter Kommunikation: der Augenkontakt.


Blickkontakt mit einem Roboter

In den meisten Situationen des täglichen Lebens muss das Gehirn nicht nur Entscheidungen treffen, sondern auch das Verhalten anderer vorhersehen und voraussagen. In solchen Kontexten kann der Blick sehr aufschlussreich über die Absichten, Ziele und bevorstehenden Entscheidungen anderer sein. In einer Studie haben Belkaid et al. (2021) untersucht, ob der Blick eines humanoiden Roboters (gegenseitig oder abgewandt) die Art und Weise beeinflusst, wie Menschen in einem sozialen Entscheidungskontext strategisch denken. Konkret spielten die Teilnehmer ein strategisches Spiel mit dem Roboter iCub, während man ihr Verhalten und ihre neuronale Aktivität mittels Elektroenzephalographie (EEG) maß. Die Teilnehmer reagierten langsamer, wenn iCub vor ihrer Entscheidung einen gegenseitigen Blickkontakt herstellte, als wenn sie den Blick abwandten. Dies war mit einer höheren Entscheidungsschwelle im Drift-Diffusionsmodell verbunden und wurde von einer stärker synchronisierten EEG-Alpha-Aktivität begleitet. Außerdem stellte man fest, dass die Teilnehmer in beiden Situationen über die Aktionen des Roboters nachdachten. Diejenigen, die den abgewandten Blick am häufigsten erlebten, wählten jedoch mit größerer Wahrscheinlichkeit eine selbstorientierte Strategie, und ihre neuronale Aktivität zeigte eine höhere Empfindlichkeit gegenüber den Ergebnissen. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass der Blick des Roboters für den Menschen ein starkes soziales Signal darstellt, das die Reaktionszeit, die Entscheidungsschwelle, die neuronale Synchronisation sowie die Wahlstrategien und die Sensibilität für die Ergebnisse beeinflusst. Dies hat erhebliche Auswirkungen auf alle Bereiche der Mensch-Roboter-Interaktion, von der Robotik bis zu klinischen Anwendungen. Der Einfluss sozialer Roboter kann daher auch hemmend sein, sodass der Dialog mit der Maschine auch Risiken birgt, besonders dann, wenn diese soziale Aufgaben übernehmen sollen (Stangl, 2021).

Literatur

Marwen Belkaid, Kyveli Kompatsiari, Davide De Tommaso, Ingrid Zablith & Agnieszka Wykowska (2021). Mutual gaze with a robot affects human neural activity and delays decision-making processes. Science Robotics, 6, doi:10.1126/scirobotics.abc5044.
Kajimura, Shogo & Nomura, Michio (2016). When we cannot speak: Eye contact disrupts resources available to cognitive control processes during verb generation. Cognition, 157, 352-357.
Nöth, W. (2000). Handbuch der Semiotik. Stuttgart: Metzler.
Florian Zsok, Matthias Haucke, Cornelia Y. de Wit, & Dick P. H. Barelds (2017). What kind of love is love at first sight? An empirical investigation. Personal Relationships, 24, 869–885.
Stangl, Benjamin (2021). Wenn dich ein Roboter anblickt … – Soziale Robotik.
WWW: https://sozialerobotik.stangl.wien/wenn-dich-ein-roboter-anblickt/ (2021-09-03).
http://www.sueddeutsche.de/wissen/psychologie-gibt-es-die-liebe-auf-den-ersten-blick-1.3788317 (17-12-14)
https://www.spektrum.de/frage/gibt-es-liebe-auf-den-ersten-blick/1560830 (19-12-04)


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