In einer Studie von Carvalho da Silva et al. (2024) wurde festgestellt, dass Wespenmütter über ein bemerkenswertes Gedächtnis verfügen, das es ihnen ermöglicht, mehrere Nester gleichzeitig zu überwachen und ihre Nachkommen effizient zu versorgen. Diese Entdeckung erweitert unser Verständnis der kognitiven Fähigkeiten von Insekten und stellt die Annahme infrage, dass komplexe Gedächtnisleistungen ausschließlich größeren Gehirnen vorbehalten sind. Man beobachtete dabei das Verhalten von Wespenmüttern, insbesondere der Grabwespen, die in der Lage sind, bis zu neun verschiedene Nester gleichzeitig zu überwachen. Trotz der Vielzahl an Nestern, die oft in kargen Sandflächen mit Hunderten von anderen Nestern verteilt sind, machen die Wespenmütter nur selten Fehler, d. h., die Fehlerquote bei der Fütterung liegt bei lediglich 1,5 %, was auf eine hochentwickelte kognitive Leistung hinweist. Diese Fähigkeit, sich in einem scheinbar ununterscheidbaren Meer von Nestern zurechtzufinden, ist beeindruckend und zeigt die Komplexität des Wespenverhaltens.
Ein bemerkenswerter Aspekt der Studie ist auch die Fähigkeit der Wespenmütter, nicht nur die Positionen der Nester im Gedächtnis zu behalten, sondern auch zu wissen, wann sie zuletzt dort waren und wie viel Nahrung jede Larve erhalten hat. Diese Form des Gedächtnisses, bekannt als episodisches Gedächtnis, ist bei Insekten besonders bemerkenswert, da sie normalerweise mit größeren Gehirnen in Verbindung gebracht wird. Die Entdeckung, dass auch Insekten über solch komplexe Gedächtnisleistungen verfügen, erweitert unser Verständnis der kognitiven Fähigkeiten dieser Tiere. Darüber hinaus zeigte die Studie, dass die Wespenmütter ihre Fütterungsstrategien flexibel anpassen können. Wenn eine Larve stirbt, ändern sie die Reihenfolge der Fütterung, um die Überlebenschancen der verbleibenden Nachkommen zu maximieren. Diese Anpassungsfähigkeit deutet darauf hin, dass die Wespenmütter in der Lage sind, auf Veränderungen in ihrer Umgebung zu reagieren und ihre Verhaltensweisen entsprechend anzupassen, um das Überleben ihrer Nachkommen zu sichern.
Die Forscher vermuten, dass diese ausgeprägte Gedächtnisleistung der Wespenmütter durch ökologische Zwänge geformt wurde, d. h., in Umgebungen, in denen das Risiko von Parasiten hoch ist, verlassen sich die Wespen auf ihr Gedächtnis, um ihre Nachkommen zu schützen, während sie in sichereren Umgebungen hingegen bereit sind, die Bedürfnisse ihrer Nachkommen direkt neu zu bewerten. Diese Flexibilität zeigt, dass die Wespenmütter in der Lage sind, ihre Verhaltensweisen an die jeweilige Situation anzupassen, um das Überleben ihrer Nachkommen zu maximieren.
Diese Forschungsergebnisse zeigen, dass selbst kleine Gehirne in der Lage sind, komplexe Aufgaben zu bewältigen, wenn dies für das Überleben entscheidend ist. Die Erkenntnisse aus dieser Studie könnten auch Implikationen für die Entwicklung von künstlicher Intelligenz haben, indem sie aufzeigen, wie auch mit begrenzten Ressourcen komplexe kognitive Leistungen erzielt werden können.
Literatur
Carvalho da Silva, R., Aguiar, J., Oi, C., Batista, J., Nascimento, F. & Giurfa, M. (2024). The tiny brains of wasps can learn and remember information. Frontiers for Young Minds, 12, do:10.3389/frym.2024.1343838
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