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Das Bauchgehirn und seine Stimme: Wie der Darm mit dem Gehirn kommuniziert

    Der menschliche Darm nimmt nicht nur Nahrung auf, sondern analysiert sie unmittelbar und leitet Informationen über Botenstoffe wie Serotonin an das Gehirn weiter. Diese enge Verbindung zwischen Bauch und Kopf zeigt sich auch in unserem „Bauchgefühl“, das oft überraschend treffsichere Entscheidungen ermöglicht.

    Der Darm ist daher weit mehr als ein Verdauungsorgan – er fungiert als sensibles Wahrnehmungssystem, das in enger Wechselwirkung mit dem Gehirn steht. Aktuelle Erkenntnisse aus der neurowissenschaftlichen Forschung belegen, dass das sogenannte enterische Nervensystem (ENS), oft als „Bauchgehirn“ bezeichnet, über 100 Millionen Nervenzellen umfasst und in ständiger Kommunikation mit dem zentralen Nervensystem steht (Stangl, 2024a). In einer aktuellen Studie an Mäusen wurde untersucht, wie der Dünndarm auf verschiedene Nahrungsbestandteile reagiert. Dabei zeigte sich, dass die Epithelzellen der Darmschleimhaut gezielt auf Stoffe wie Glukose, Aminosäuren oder kurzkettige Fettsäuren reagieren, indem sie den Neurotransmitter Serotonin ausschütten. Dieses Serotonin aktiviert wiederum Nervenzellen des ENS, die in differenzierten Mustern auf die jeweiligen Nährstoffe reagieren. Interessanterweise kam es nur dann zu einer Reaktion, wenn die Nährstoffe mit der obersten Zellschicht der Darmschleimhaut in Kontakt traten, nicht aber bei direkter Reizung der Nervenzellen – ein Hinweis auf die zentrale Rolle der Schleimhautzellen als erste sensorische Schnittstelle.

    Die so entstehenden Nervensignale haben sowohl lokale Auswirkungen – etwa auf die Peristaltik oder Sekretionsvorgänge – als auch systemische Effekte durch die Weiterleitung über den Nervus vagus, der als wichtigste Verbindung zwischen Bauch und Gehirn gilt (Stangl, 2024b). Diese Erkenntnisse bestätigen, dass der Darm nicht nur Verdauung reguliert, sondern auch emotionale und kognitive Prozesse beeinflusst. So ist bekannt, dass psychische Zustände wie Angst oder Stress über das ENS körperlich spürbar werden können, etwa durch Bauchschmerzen oder Durchfall. Darüber hinaus wird der Einfluss des Mikrobioms und der intestinalen Serotoninproduktion auf Depressionen intensiv erforscht (Stangl, 2024c). Auch experimentelle Beeinflussungen des Vagusnervs führen zu veränderten Entscheidungsverhalten, was nahelegt, dass Intuition und Bauchgefühl nicht etwa irrational sind, sondern auf einer tief verankerten neurobiologischen Rückkopplung beruhen.

    Das „Bauchgefühl“ ist daher nicht bloß eine Redewendung, sondern Ausdruck eines fein abgestimmten Informationssystems zwischen Darm, Nerven und Gehirn ist. Die Erkenntnisse stärken die Annahme, dass Intuition auf komplexen biologischen Prozessen basiert und dass der Darm ein integraler Bestandteil unseres Denkens, Fühlens und Handelns ist.

    Literatur

    Stangl, W. (2024a). Enterisches Nervensystem. Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik.
    https://lexikon.stangl.eu/1220/enterisches-nervensystem/
    Stangl, W. (2024b). Vagusnerv. Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik.
    https://lexikon.stangl.eu/20880/vagusnerv/
    Stangl, W. (2024c). Mikrobiom. Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik.
    https://lexikon.stangl.eu/29289/mikrobiom/


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