Die Frage, wie stark ein Gesicht verändert oder reduziert werden kann, bevor Menschen es nicht mehr zuverlässig erkennen, stand im Mittelpunkt zweier aktueller Forschungsarbeiten. Zhao & Bülthoff (2025) nutzten dabei Morphingverfahren, um zu testen, wie gut Menschen in der Lage sind, Identitäten aus künstlich verschmolzenen Bildern zu rekonstruieren. Dabei zeigte sich, dass Menschen überraschend tolerant gegenüber Informationsverlust sind, denn selbst wenn nur rund zwölf Prozent der ursprünglichen Identitätsmerkmale eines Gesichts erhalten bleiben, gelingt die Erkennung noch über dem Zufallsniveau. Besonders auffällig war, dass vertraute Gesichter etwa von Familienmitgliedern oder engen Freunden deutlich zuverlässiger erkannt wurden, selbst wenn nur ein kleiner Bruchteil der charakteristischen Merkmale enthalten war. Die Leistung verbesserte sich weiter, wenn den Versuchspersonen nicht nur ihre Erinnerungen, sondern auch die Originalbilder zur Verfügung standen. Offen blieb hingegen, inwiefern individualtypische Besonderheiten etwa besonders markante oder besonders durchschnittliche Gesichtszüge die Erkennungsleistung beeinflussen. Bis zu einer Mischung aus acht verschiedenen Gesichtern lassen sich identitätsrelevante Spuren noch wahrnehmen, während ab etwa zehn überlagerten Identitäten die Wiedererkennung vollständig zusammenbricht. Vertrautheit erwies sich hierbei als ein zentraler Vorteil, denn bekannte Gesichter wurden selbst unter extremen Bedingungen erheblich zuverlässiger identifiziert als unbekannte. Diese Befunde decken sich mit anderen Ergebnissen, dass sowohl Gedächtnisrepräsentationen als auch visuelle Vergleichsmöglichkeiten die Fähigkeit zur Extraktion verbleibender Merkmale entscheidend verbessern. Insgesamt verdeutlichen die Studien, dass das menschliche Gesichtserkennungssystem erstaunlich robust gegenüber Verformungen, Reduktionen und Mischungen ist, zugleich aber klare Grenzen aufweist, wenn identitätsrelevante Informationen unter eine kritische Schwelle sinken. Die Ergebnisse liefern auch Hinweise für praktische Anwendungen, etwa in der Ausweissicherheit oder der biometrischen Forschung.
Literatur
Zhao, M., & Bülthoff, I. (2025). How much face identity information is required for face recognition? Cognition, 262, doi:10.1016/j.cognition.2025.106175
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