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Atemzüge des Erinnerns: Wie Respiration neuronale Gedächtnisdynamiken formt

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    Neue Untersuchungen von Tarrasó et al. (2025) verdeutlichen, dass die Atmung nicht nur für die Sauerstoffversorgung eine zentrale Rolle spielt, sondern zugleich untrennbar mit geistigen Vorgängen verknüpft ist. Man analysierte in dieser Studie, wie der Atemrhythmus das Abrufen zuvor gelernter Inhalte beeinflusst, indem 18 Probanden lernten, Bilder mit bestimmten Wörtern zu verknüpfen. Anschließend wurden die Gedächtnisleistungen sowohl unmittelbar als auch nach einem Mittagsschlaf getestet, während Atmung und Hirnaktivität mittels EEG aufgezeichnet wurden.
    Die Ergebnisse zeigten, dass Hinweiswörter dann am besten erinnert wurden, wenn sie während oder kurz vor der Einatmung präsentiert wurden, während der eigentliche Abrufprozess bevorzugt in der Ausatmung stattfand. Dadurch entsteht eine funktionale Zweiteilung: Die Einatmung begünstigt die Aufnahme von Reizen, die Ausatmung die Rekonstruktion der gespeicherten Erinnerung. Dieser Effekt lässt sich auch in charakteristischen neuronalen Signaturen beobachten, etwa in der Abnahme von Alpha- und Beta-Aktivität, die auf ein fokussiertes Abrufgeschehen hinweisen, sowie in sogenannten Gedächtnisreaktivierungen, bei denen während des Erinnerns jene neuronalen Muster wieder auftauchen, die beim Lernen aktiv waren. Zugleich variiert die individuelle Kopplung von Atmung und neuronalen Prozessen, sodass manche Probanden stärker vom respiratorischen Taktgeber profitieren als andere.
    Diese Ergebnisse fügen sich nahtlos in die Befunde ein, die aufzeigen, dass Respiration die neuronalen Bedingungen erfolgreichen Erinnerns strukturiert und somit ein integraler Bestandteil episodischer Gedächtnisprozesse ist. Zusammengenommen zeichnet sich ab, dass Atmung nicht nur ein körperlicher, sondern auch ein kognitiver Rhythmusgeber ist, der Wahrnehmung, Aufmerksamkeit und Gedächtnis in zeitlicher Feinarbeit miteinander verzahnt. Letzlich ist dies ein Hinweis darauf, wie eng Körper und Gehirn in grundlegenden mentalen Fähigkeiten zusammenwirken.

    Literatur

    Sánchez Corzo, A., Bullón Tarrasó, E., Saltafossi, M., Berther, T., Staudigl, T., Kluger, D. S., & Schreiner, T. (2025). Respiratory coordination of excitability states across the human wake-sleep cycle (Preprint). bioRxiv. https://doi.org/10.1101/2025.06.03.657770
    Tarrasó, E. B., Schwimmbeck, F., Petzka, M., Staudigl, T., Staresina, B. P., & Schreiner, T. (2025). Respiration shapes the neural dynamics of successful remembering in humans. bioRxiv, doi:10.1101/2025.04.17.649286


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