Übermäßiges Essen ist ein wesentlicher Faktor in der Entstehung und Aufrechterhaltung von Adipositas. Dabei handelt es sich nicht allein um das Resultat mangelnder Willenskraft, sondern um ein komplexes Zusammenspiel aus Emotionen, Umweltfaktoren und Gewohnheiten. Ein Forschungsteam hat in einer jüngst veröffentlichten Studie fünf charakteristische Muster des Überessens identifiziert, die den Blick auf individuelle Unterschiede im Essverhalten lenken und neue Ansätze zur Prävention und Intervention ermöglichen (Shahabi et al., 2025). Die Untersuchung basierte auf der Beobachtung von sechzig übergewichtigen Erwachsenen, deren Essgewohnheiten mit einem breiten Spektrum an Tracking-Technologien erfasst wurden. Mithilfe von Bodycams, digitalen Armbändern und sensorgestützten Halsketten konnten sowohl die sozialen Kontexte als auch das konkrete Essverhalten – etwa die Anzahl der Bissen, die Kaudauer oder die Handbewegungen – systematisch dokumentiert werden. Die Auswertung dieser Daten führte zur Identifizierung von fünf Typen des übermäßigen Essens:
- die Fertig-Schlemmer, die bevorzugt auf Take-away oder Lieferservice zurückgreifen;
- die sozialen Schlemmer, die in Gesellschaft regelmäßig mehr essen als beabsichtigt;
- die Nachteulen, die insbesondere spätabends oder nachts zu Snacks greifen;
- die Gelegenheits-Snacker, die in Alltagssituationen wie bei der Arbeit oder beim Lernen spontan die Kontrolle verlieren; sowie
- die Gestressten, die Nahrungsmittel vor allem zur Stress- oder Angstbewältigung konsumieren.
Die Einordnung in diese Typologien verdeutlicht, dass Überessen nicht monokausal verstanden werden kann. Vielmehr handelt es sich um ein vielschichtiges Verhalten, das von situativen, psychischen und sozialen Faktoren geprägt ist. Besonders bemerkenswert ist, dass durch den Einsatz passiver Sensoren bislang verborgene Muster sichtbar gemacht werden konnten. Diese technologisch gestützte Erfassung ermöglicht nicht nur eine differenzierte Analyse individueller Essgewohnheiten, sondern eröffnet auch die Möglichkeit, maßgeschneiderte Interventionen zu entwickeln, denn so ließe sich etwa durch intelligente Endgeräte wie Smartwatches eine gezielte Rückmeldung an Betroffene geben, die bei wiederkehrenden Auslösern – etwa nächtlichem Gang zum Kühlschrank – auf gesündere Alternativen hingewiesen werden könnten.
Überessen ist offenbar weniger als Frage der Selbstdisziplin, sondern ist vielmehr als Ausdruck unbewusster, kontextgebundener Verhaltensmuster zu begreifen. Indem diese Muster systematisch erkannt werden, entsteht eine Grundlage für personalisierte Präventions- und Therapieansätze im Umgang mit Adipositas.
Literatur
Shahabi, F., Wei, B., Romano, C., McCloskey, R., Lin, A. W., Pedram, M., Schauer, J. M., Stump, T., & Alshurafa, N. (2025). Unveiling overeating patterns within digital longitudinal data on eating behaviors and contexts. npj Digital Medicine, 8, Article 567, doi:10.1038/s41746-025-01698-9
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