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Tinnitus als Risikofaktor für kognitive Einschränkungen im Alter

    Eine Analyse von Daten des National Health and Nutrition Examination Survey (NHANES) aus den Jahren 2011 bis 2014 hat ergeben, dass akuter Tinnitus in engem Zusammenhang mit kognitiven Beeinträchtigungen bei älteren Erwachsenen steht. Unter den 684 untersuchten Teilnehmern ab 60 Jahren, die sowohl Tinnitusangaben als auch kognitive Tests abgeschlossen hatten, zeigte sich, dass Personen mit akutem Tinnitus signifikant schlechtere Leistungen in Tests zur semantischen Wortflüssigkeit (Animal Fluency Test) und zu Aufmerksamkeit sowie Verarbeitungsgeschwindigkeit (Digit Symbol Substitution Test) erbrachten. Dagegen ergaben sich für das verbale Lernen (CERAD Word Learning Test) keine relevanten Unterschiede. Teilnehmer mit länger bestehendem Tinnitus wiesen keine signifikanten Einschränkungen auf, was möglicherweise auf Gewöhnungseffekte oder unterschiedliche neuronale Aktivierungsmuster zurückzuführen ist.

    Die pathophysiologischen Mechanismen lassen sich unter anderem durch die Load Theory erklären, die eine Überlastung begrenzter Aufmerksamkeitsressourcen beschreibt. Tinnitus bindet kognitive Kapazitäten, da die ständige Wahrnehmung der Geräusche Aufmerksamkeit beansprucht, wodurch weniger Ressourcen für andere Aufgaben zur Verfügung stehen. Funktionelle Bildgebungsstudien bestätigen dies, indem sie erhöhte Aktivität in präfrontalen Arealen bei Patienten mit akutem Tinnitus zeigen. Hinzu kommt, dass altersbedingte cholinerge Dysfunktionen die neuronale Plastizität beeinträchtigen können und so das Risiko für kognitive Defizite zusätzlich verstärken.

    Die Befunde verdeutlichen, dass akuter Tinnitus als eigenständiger Risikofaktor für kognitive Einschränkungen betrachtet werden sollte. Besonders betroffen sind Aufmerksamkeit, Gedächtnis und exekutive Funktionen. Klinisch empfiehlt sich daher, Patienten mit neu aufgetretenem Tinnitus frühzeitig auch hinsichtlich kognitiver Defizite zu untersuchen. Künftige Forschung sollte den kausalen Zusammenhang zwischen Tinnitus und kognitivem Abbau genauer beleuchten und dabei longitudinale sowie neurobiologische Ansätze verfolgen.

    Literatur

    NHANES. (2011–2014). National Health and Nutrition Examination Survey. Centers for Disease Control and Prevention.


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