Das menschliche Bewusstsein ist ein komplexes Geflecht aus Wahrnehmungen, Emotionen und Gedanken, von denen viele außerhalb unserer direkten Kontrolle liegen. Unfreiwillige Gedanken, sei es in Form von Déjà-vus, blitzartigen Erinnerungen oder auch nur assoziativen Sprüngen, sind ein allgegenwärtiges Phänomen, das bei den Betroffenen oft Verwirrung, Neugier oder gar leichte Beunruhigung auslösen kann. Diese spontanen kognitiven Ereignisse, die scheinbar aus dem Nichts auftauchen, fordern uns heraus, unsere Beziehung zu unserem inneren Erleben zu überdenken und Strategien zu entwickeln, um sie konstruktiv zu verarbeiten.
Déjà-vu, das französische Wort für „schon gesehen“, beschreibt das eindringliche Gefühl, eine gegenwärtige Situation oder Erfahrung bereits in der Vergangenheit erlebt zu haben, obwohl dies objektiv nicht der Fall ist. Die neurologischen und psychologischen Mechanismen hinter diesem Phänomen sind noch nicht vollständig entschlüsselt, doch es wird vermutet, dass es sich um eine kurzzeitige Fehlfunktion der Gedächtnisverarbeitung handelt, bei der neue Informationen fälschlicherweise als bereits bekannte abgespeichert werden (Brand, 2017). Dies kann zu einer temporären kognitiven Dissonanz führen, da das Gehirn gleichzeitig die Neuheit der Situation und das Gefühl der Vertrautheit verarbeitet. Für die meisten Menschen sind Déjà-vus flüchtige und harmlose Episoden, die schnell wieder verschwinden. Der Umgang mit ihnen erfordert zunächst eine Akzeptanz ihrer Natur als ein oft vorkommendes, wenn auch ungewöhnliches Gehirnphänomen. Anstatt sich in Grübeleien über die vermeintliche Bedeutung oder Ursache zu verlieren, kann es hilfreich sein, das Gefühl als einen kurzen, interessanten Moment der Verwirrung anzuerkennen und es ohne weitere Bewertung loszulassen.
Ähnlich verhält es sich mit spontanen Erinnerungen, die plötzlich und ohne ersichtlichen Auslöser ins Bewusstsein dringen. Dies können flüchtige Bilder, Gerüche, Klänge oder ganze Szenen aus der Vergangenheit sein. Oft sind diese Erinnerungen mit starken Emotionen verbunden, sei es Nostalgie, Freude, Trauer oder Reue. Im Gegensatz zu gezielten Erinnerungen, die wir bewusst abrufen, entstehen spontane Erinnerungen oft durch unbewusste Assoziationen, die durch einen subtilen Reiz in der Umgebung oder durch einen inneren Gedankengang ausgelöst werden, ohne dass uns dieser Auslöser bewusst ist (Conway & Pleydell-Pearce, 2000). Die psychologische Forschung deutet darauf hin, dass diese unfreiwilligen Erinnerungen eine wichtige Rolle bei der Aufrechterhaltung unseres autobiografischen Gedächtnisses und unserer Selbstidentität spielen. Sie ermöglichen es uns, vergangene Erfahrungen in den Kontext unseres aktuellen Lebens zu stellen und unser Selbstverständnis zu festigen.
Der Umgang mit beiden Arten unfreiwilliger Gedanken – Déjà-vus und spontanen Erinnerungen – erfordert eine ähnliche Herangehensweise, die auf Achtsamkeit, Akzeptanz und bewusster Distanzierung basiert. Zunächst ist es entscheidend, diese Gedanken nicht zu bewerten oder zu versuchen, sie zwanghaft zu unterdrücken. Unterdrückung führt oft zum Gegenteil und verstärkt die Intensität der Gedanken (Wegner, 1994). Stattdessen kann eine Haltung der offenen Neugier eingenommen werden: Was taucht hier auf? Welche Gefühle begleiten es? Diese Haltung ermöglicht es uns, den Gedanken zu beobachten, ohne uns in ihm zu verfangen.
Achtsamkeitspraktiken können hier besonders hilfreich sein. Indem wir uns auf den gegenwärtigen Moment konzentrieren und unsere Aufmerksamkeit bewusst auf unsere Atmung oder unsere Umgebung lenken, können wir eine Distanz zu den unfreiwilligen Gedanken aufbauen. Dies bedeutet nicht, die Gedanken zu ignorieren, sondern sie als vorübergehende Erscheinungen des Geistes zu erkennen, die kommen und gehen, ohne dass wir uns an sie klammern müssen. Wenn eine Erinnerung besonders intensiv oder emotional belastend ist, kann es hilfreich sein, sie kurz zu benennen und dann bewusst die Aufmerksamkeit auf etwas anderes zu lenken, sei es eine Aufgabe, ein Gespräch oder eine körperliche Aktivität.
Darüber hinaus kann das Führen eines Tagebuchs oder das Besprechen dieser Erfahrungen mit vertrauten Personen eine Möglichkeit sein, die Gedanken zu externalisieren und zu verarbeiten. Durch das Niederschreiben oder Aussprechen erhalten die Gedanken eine Form, die sie weniger überwältigend erscheinen lässt. Es ermöglicht eine Reflexion über ihre mögliche Bedeutung oder Herkunft, ohne dass man sich in einer gedanklichen Schleife verliert. Bei wiederkehrenden oder besonders belastenden unfreiwilligen Erinnerungen, insbesondere wenn sie mit traumatischen Erfahrungen verbunden sind, ist es ratsam, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Psychologen und Therapeuten können Strategien und Techniken anbieten, um diese Erinnerungen zu verarbeiten und einen gesunden Umgang mit ihnen zu finden.
Literatur
Brand, M. (2017). Déjà-vu-Erlebnisse und ihre klinische Bedeutung. Nervenarzt, 88(6), 660-664. doi:10.1007/s00115-017-0331-5Conway, M. A., & Pleydell-Pearce, C. W. (2000). The construction of autobiographical memories in the self-memory system. Psychological Review, 107(2), 261-288.
Wegner, D. M. (1994). Ironic processes of mental control. Psychological Review, 101(1), 34-52.
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