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Dezentrale Intelligenz als Schlüssel zur Bewegung bei Mikroorganismen und Nanobots

    Die Fähigkeit zur gezielten Fortbewegung ist keineswegs an ein zentrales Nervensystem oder ein Gehirn gebunden. Dies zeigen neue von Hartl, Levin & Zöttl (2025), die sich mit der Frage beschäftigt haben, wie Mikroorganismen ohne zentrale Steuerung in Flüssigkeiten navigieren können. Dabei wurde nicht nur ein faszinierendes biologisches Phänomen entschlüsselt, sondern auch ein vielversprechender Ansatz für technische Anwendungen entwickelt, etwa für die autonome Steuerung von Nanobots.

    Viele Mikroorganismen wie Bakterien, Amöben oder bestimmte Blutkörperchen besitzen kein zentrales Nervensystem, bewegen sich jedoch erstaunlich effizient und zielgerichtet durch Flüssigkeiten, wobei die Koordination ihrer Bewegungen dabei fast wie von einer verborgenen Intelligenz gesteuert wirkt. Für die Untersuchungen modellierte man in Computersimulationen Mikroorganismen als lineare Ketten von Massepunkten, die sich relativ zueinander bewegen können, etwa vergleichbar mit einer Perlenkette. Jedes Element dieser Kette war nur in der Lage, Informationen von seinen direkten Nachbarn zu verarbeiten und entsprechend darauf zu reagieren. Die Herausforderung bestand darin, eine lokale Verhaltensregel zu finden, nach der sich jede Einheit verhalten konnte, um in Summe eine koordinierte Bewegung der gesamten Struktur zu erreichen. Zur Umsetzung dieses Konzepts griff man auf eine stark reduzierte Form künstlicher Intelligenz zurück, indem jedem virtuellen Teilchen ein minimalistisches neuronales Netzwerk mit nur 20 bis 50 Parametern zugewiesen wurde. Dies diente weniger der Nachbildung eines biologischen Gehirns, sondern vielmehr als technisches Werkzeug zur Entscheidungsfindung auf Basis lokaler Informationen, die bekanntlich in natürlichen Systemen durch physikalisch-chemische Reaktionen verwirklicht werden.

    Die Ergebnisse der Simulationen zeigten, dass selbst extrem einfache Steuerungsmechanismen ausreichen, um ein robustes und effizientes Schwimmverhalten hervorzubringen, wobei die Bewegungsmuster der künstlichen Mikroorganismen nicht nur zielgerichtet waren, sondern auch widerstandsfähig gegenüber Störungen oder strukturellen Veränderungen. Damit konnte gezeigt werden, dass eine dezentrale Steuerung komplexe Bewegungsabläufe ermöglichen kann, wie sie in der Natur bereits vielfach zu beobachten sind. Auf Basis solcher Strukturen könnten Nanobots entwickelt werden, die sich eigenständig in flüssigen Medien bewegen, etwa um gezielt Medikamente im menschlichen Körper freizusetzen oder umweltbelastende Ölverschmutzungen aufzuspüren und zu beseitigen. Solche Systeme könnten diese durch ihre dezentrale Steuerung besonders anpassungsfähig und fehlertolerant machen.

    Literatur

    Hartl, B., Levin, M. & Zöttl, A. (2025). Neuroevolution of decentralized decision-making in N-bead swimmers leads to scalable and robust collective locomotion. Communications Physics, 8, 194.


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