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Neuronale Redundanz in der Retina bei der Verarbeitung von Sinneseindrücken

Karamanlis et al. (2025) herausgefunden, dass Nervenzellen in der Retina des Auges entgegen der etablierten „effizienten Kodierungshypothese“, nicht immer effizient und isoliert arbeiten, sondern häufig in synchronen Gruppen aktiv sind. Bisher wurde angenommen, dass die Retina die visuelle Information so verarbeitet, dass die Redundanz natürlicher Szenen minimiert wird, was bedeutet, dass nicht alle Nervenzellen gleichzeitig aktiv sind, um Energie zu sparen. Die „effiziente Kodierungshypothese“, besagt aber, dass Nervenzellen nur dann aktiv sind, wenn sie wichtige, differenzierte Informationen verarbeiten, etwa an den Rändern eines Objekts, während redundante Signale, wie z. B. die weiße Fläche im Inneren eines Objekts, nicht kodiert werden. Allerdings zeigte sich in der aktuellen Forschungsarbeit, dass bestimmte Zellgruppen in der Retina der Marmosetten und Mäuse bei natürlichen Augenbewegungen und Szenen mit hohem Kontrast oder Bewegungen synchron feuern. Diese koordinierten Aktivitäten scheinen im Widerspruch zur effizienten Kodierung zu stehen, denn statt die Redundanz zu minimieren, signalisieren sie wichtige visuelle Reize wie hohe Kontraste und Bewegungen, was für die visuelle Wahrnehmung besonders relevant ist.

Die Forscher konnten nun anhand von Netzhautpräparaten zeigen, dass diese synchronen Reaktionen nicht zufällig auftreten, sondern durch spezielle Blickmuster, die den natürlichen Bewegungen der Augen entsprechen, ausgelöst werden. In besonders kontrastreichen Szenen oder bei Bewegung werden bestimmte Zellengruppen aktiv, um die Information auf eine Art und Weise zu verarbeiten, die eine bessere Unterscheidung zwischen wichtigen und weniger wichtigen visuellen Reizen ermöglicht. Die Abweichung diese Ergebnisse von der traditionellen effizienten Kodierungshypothese eröffnet neue Perspektiven für die Behandlung von Blindheit, insbesondere bei der Erblindung durch Degeneration der Fotorezeptoren. Die Forschung hat gezeigt, dass es für eine natürliche Signalverarbeitung notwendig ist, dass Nervenzellen der Retina in koordinierter Weise aktiv werden. Dies ist besonders wichtig, wenn künstliche Systeme, wie etwa Sehprothesen, in der Zukunft eingesetzt werden sollen, um verlorene Sehfunktionen zu ersetzen. Dadurch könnte es zu einer Verbesserung optogenetischer Therapien kommen, in denen lichtempfindliche Proteine in Nervenzellen eingeschleust werden, um diese mit Licht zu aktivieren. Ein Verständnis der genauen Aktivitätsmuster, die in natürlichen visuellen Szenen vorkommen, ist entscheidend, um diese Muster auch künstlich zu erzeugen und so das visuelle System optimal zu stimulieren.

Literatur

Karamanlis, D., Khani, M. H., Schreyer, H. M., Zapp, S. J., Mietsch, M. & Gollisch, T. (2025). Nonlinear receptive fields evoke redundant retinal coding of natural scenes. Nature, 637, 394-401.


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