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Das menschliche Gehirn verarbeitet Sätze früher als Wörter

Das menschliche Gehirn ist ein faszinierendes Organ, das in der Lage ist, visuelle Szenen in einem Bruchteil einer Sekunde zu erfassen. Dies ist eine bemerkenswerte Fähigkeit, die es uns ermöglicht, unsere Umwelt schnell und effizient zu verstehen. Aber wie verhält es sich mit der Verarbeitung von Sprache? Während wir Sprache normalerweise als eine sequenzielle Abfolge von Worten wahrnehmen, zeigt sich in unserem Alltag, dass wir oft auch schnell blinkende schriftliche Mitteilungen sofort verstehen können. Dies deutet darauf hin, dass unser Gehirn in der Lage ist, Sprache auf eine ähnlich effiziente Weise zu verarbeiten wie visuelle Informationen.

Um dieser Fähigkeit genauer auf den Grund zu gehen, haben Fallon et al. (2024) eine Magnetoenzephalographie-Studie durchgeführt. Dabei ließen sie Versuchspersonen kurze Sätze für einen Bruchteil einer Sekunde aufblitzen und untersuchten die neuronale Aktivität in ihrem Gehirn. Die Ergebnisse waren faszinierend: Bereits nach etwa 130 Millisekunden zeigten sich Signale im linken temporalen Cortex, die auf das Erkennen der grundlegenden Satzstruktur hinwiesen – unabhängig davon, ob die Sätze grammatikalisch oder semantisch korrekt waren. Dies legt nahe, dass das menschliche Sprachverständnis tatsächlich schon auf den ersten Blick mit der Erfassung der Satzstruktur beginnt, bevor es sich mit der Bedeutung oder anderen grammatikalischen Details auseinandersetzt. Diese ultraschnelle Verarbeitung der Syntax ist ein bemerkenswerter Aspekt der kognitiven Fähigkeiten und zeigt, wie effizient das Gehirn Informationen in unserer heutigen, visuell gesättigten Welt verarbeiten kann.

Die Ergebnisse der Magnetoenzephalographie-Studie liefern auch wichtige Erkenntnisse darüber, wie das Gehirn Sprache wahrnimmt und versteht, bzw. geben einen Einblick in die faszinierenden Mechanismen, die es Menschen ermöglichen, ihre sprachliche Umwelt schnell und mühelos zu erfassen – ein Prozess, der oft als selbstverständlich erscheint, aber in Wirklichkeit eine beeindruckende kognitive Leistung darstellt.

Literatur

Fallon, Jacqueline & Pylkkänen, Liina (2024). Language at a glance: How our brains grasp linguistic structure from parallel visual input. Science Advances, 10, doi:10.1126/sciadv.adr9951.


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