Die Hypothese der synaptischen Homöostase (Tononi & Cirelli, 2020) besagt, dass Schlaf notwendig ist, um die Zunahme der Anzahl und Stärke von Synapsen, die während des Wachzustands auftreten, zu renormalisieren. Einige Studien, die entweder große Neuronenpopulationen oder kleine Bereiche von Dendriten untersuchten, fanden Hinweise, die mit der Hypothese der synaptischen Homöostase übereinstimmen, aber es ist unklar, ob Schlaf nur als permissiver Zustand wirkt oder ob er aktiv die synaptische Downregulation auf der Ebene ganzer Neuronen fördert.
Suppermpool et al. (2024) konnten nun durch wiederholte Bildgebung aller exzitatorischen Synapsen an einzelnen Neuronen im Schlaf-Wach-Zustand von Zebrafischlarven zeigen, dass Synapsen während der Wachphasen entweder spontan oder erzwungen hinzugewonnen werden und während des Schlafs in einer vom Neuronensubtyp abhängigen Weise verloren gehen. Der Synapsenverlust ist jedoch am größten während des Schlafes, der mit einem hohen Schlafdruck nach längerem Wachsein verbunden ist, und am geringsten in der zweiten Hälfte einer ungestörten Nacht. Umgekehrt reicht pharmakologisch induzierter Schlaf in Zeiten niedrigen Schlafdrucks nicht aus, um Synapsenverlust auszulösen, es sei denn, der Adenosinspiegel wird erhöht, während der noradrenerge Tonus gehemmt wird.
Daraus lässt sich schließen, dass der schlafbedingte synaptische Verlust durch den Schlafdruck auf der Ebene des einzelnen Neurons reguliert wird und dass nicht alle Schlafperioden gleichermaßen in der Lage sind, die Funktionen der synaptischen Homöostase zu erfüllen. Ähnliches könnte auch für das menschliche Gehirn gelten, so dass Schlaf eine Art Reset für das Gehirn darstellt und Raum für das Lernen von Neuem schafft. Da im Wachzustand die Verbindungen zwischen den Gehirnzellen stärker und komplexer werden, wäre es für den Körper energetisch untragbar, wenn diese Prozesse auch im Schlaf fortgesetzt würden. Neu geknüpfte Verbindungen werden demnach vor allem in der ersten Nachthälfte wieder abgebaut, um das Lernen von Neuem am nächsten Tag vorzubereiten. Laut synaptische Homöostase-Hypothes ist Schlaf daher also jener Preis, den man für die Plastizität im Wachzustand zahlen muss, um eine unkontrollierte Potenzierung, ein verringertes Signal-Rausch-Verhältnis und eine Beeinträchtigung des Lernens durch Sättigung zu vermeiden.
Literatur
Suppermpool, Anya, Lyons, Declan G., Broom, Elizabeth & Rihel, Jason (2024). Sleep pressure modulates single-neuron synapse number in zebrafish. Nature, doi: 10.1038/s41586-024-07367-3.
Stangl, W. (2020, 5. Dezember). Synaptische Homöostase-Hypothese. Online Lexikon für Psychologie & Pädagogik.
https:// lexikon.stangl.eu/29506/synaptische-homoeostase-hypothese.
Tononi, Giulio & Cirelli, Chiara (2020). Sleep and synaptic down-selection. European Journal of Neuroscience, 51, 413-421.
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