Die wohl einflussreichsten und meistdiskutierten Modelle zur Rehabilitation von Straftätern sind in der aktuellen Literatur das Risk-Needs-Responsivity Modell und das später entwickelte Good-Lives Modell. Beide Modelle nehmen für sich in Anspruch, allgemeine Rahmenbedingungen zu beschreiben, deren Umsetzung wesentlich zu einer erfolgreichen Straftäterrehabilitation im Sinne sinkender Rückfallraten nach Entlassung in Freiheit beitragen sollen.
Das Risk-Needs-Responsivity Modell ist ein evidenzbasiertes Modell, das bei der kriminellen Rehabilitation und dem Risikomanagement eingesetzt wird, und entwickelt wurde, um die Wirksamkeit von Interventionen bei straffälligen Menschen zu verbessern. Es basiert dabei auf drei zentralen Prinzipien: Das Modell identifiziert das Rückfallrisiko von Straffälligen anhand von Risikofaktoren wie früherem kriminellem Verhalten, antisozialer Persönlichkeitsstruktur und sozialen Umständen, d. h., Straftäter und Straftäterinnen mit einem höheren Rückfallrisiko erhalten intensivere und gezieltere Interventionen. Das Modell berücksichtigt dabei die individuellen Bedürfnisse von straffälligen Personen, etwa kriminalitätsfördernde Faktoren wie Suchtprobleme, antisoziale Einstellungen und geringe soziale Kompetenzen, sodass die Interventionen darauf abzielen, diese Bedürfnisse zu erkennen und zu adressieren. Das Modell berücksichtigt darüber hinaus auch die unterschiedlichen Reaktionsweisen der Betroffenen auf Interventionen, wobei die Interventionen an die individuellen Merkmale und Lernstile der straffälligen Personen angepasst werden, um die Wirksamkeit zu maximieren. Dieses Modell legt daher einen starken Fokus auf evidenzbasierte Interventionen, die nachgewiesenermaßen effektiv sind, und betont die Bedeutung einer gezielten und individualisierten Herangehensweise.
Das Good Lives Modell ist ein stark humanistisch beeinflusster, stärkenbasierter Ansatz der Straftäterrehabilitation, der sich an mittelbaren Lebenszielen, Interessen und Ressourcen von Straftätern orientiert. Grundannahme ist dabei, dass Straftaten als dysfunktionaler Weg betrachtet werden, an sich unproblematische, prosoziale Ziele zu erreichen. So geht dieses Modell davon aus, dass Straftäter wie andere Menschen auch auf Ziele bzw. sogenannte primäre Güter (primary goods) ausgerichtet sind. Hierbei handelt es sich um ihrer selbst willen angestrebte Zustände, Erlebensweisen oder persönliche Charakteristika, die mit einer Steigerung des Wohlbefindens assoziiert sind und nicht als moralisch übergeordnete Kategorien idealer Lebensführung verstanden werden sollten. Hinzu kommt die Annahme, dass Menschen ihre Taten als identitätsstiftend erleben, sodass es nicht ausreicht, Straftäter mit den Fähigkeiten auszustatten, ihre Defizite und Risikofaktoren zu kontrollieren, sondern sie sollten auch die Möglichkeit bekommen, eine adaptivere, prosoziale Identität auszuprobieren, die sie als bedeutsam und sinnvoll erleben.
Zahlreiche Forschungsergebnisse belegen, dass auch psychopathische StraftäterInnen durchaus behandelbar sind, wobei sich ein strukturiertes Vorgehen auf Grundlage des Risk-Need-Responsivity-Modells empfiehlt, mithilfe dessen im Sinn eines Zwei-Komponenten-Modells Rückfälligkeit verringert und gleichzeitig den interaktionellen Besonderheiten Rechnung getragen wird. Dieses Modell erweist sich in der Behandlung straffällig gewordener Menschen als effektives Modell zur Reduktion der Rückfälligkeit für erneute Straftaten, wobei eine individuelle Behandlung mit größtmöglicher Effektivitätgeplant werden kann, müssen neben den Risikofaktoren auch die spezifischen Ansprechbarkeitsfaktoren sorgfältig erfasst werden. Dieses spezifische Ansprechbarkeitsprinzip erfordert eine klienten und klientinnenorientierte Flexibilität bei der Umsetzung der Behandlung und dem Umgang mit individuellen Behandlungsbarrieren. Im Zwei-Komponenten-Modell geht es nicht um die Heilung von Psychopathie bzw. eine Persönlichkeitsveränderung im engeren Sinne, sondern um das Erlernen neuer Strategien für ein verhaltensorientiertes Selbstmanagement. Gleichwohl sollen die affektiven und interpersonellen Defizite hochpsychopathischer StraftäterInnen und ihre Auswirkung auf die Gestaltung der Therapie beachtet werden. Dabei wurden mehrere etablierte Therapieverfahren inzwischen für die Forensik adaptiert:
- Die dialektisch-behaviorale Therapie richtet sich in erster Linie an StraftäterInnen mit primär impulsiv-antisozialen Zügen, deren Verhalten als Reaktion auf Enttäuschung, Wut, Frustration etc. im Sinn reaktiver Gewalt verstanden werden kann und oftmals durch belastende Kindheitserfahrungen mitbedingt ist.“
- Die Schematherapie basiert auf einem integrativen, vornehmlich kognitiv-behavioralen Ansatz, wobei auf Grundlage einer vertrauensvollen therapeutischen Beziehung im Kindesalter nicht gestillte Bedürfnisse erkannt und daraus resultierende Schemata benannt und bearbeitet werden sollen.
- Bei der mentalisierungsbasierten Therapie steht das Verstehen von automatisierten individuellen Mustern, die mit situativen Einflüssen interagieren, im Vordergrund. Die angestrebte Mentalisierungsfähigkeit soll den vorausschauenden Umgang mit solchen Mechanismen fördern, um Verhaltensänderungen zu ermöglichen.
Literatur
Schmidt, Alexander (2019). Ein kritischer Vergleich des Risk-Need-Responsivity Ansatzes und des Good Lives Modells zur Straftäterrehabilitation. Bewährungshilfe, 66, 211-223.
Stück, Elisabeth & Brunner, Franziska (2022). Das spezifische Ansprechbarkeitsprinzip in der Behandlung delinquenter Personen. Forensische Psychiatrie, Psychologie, Kriminologie, 16, 329-338.
https://www.psychologie-aktuell.com/news/aktuelle-news-psychologie/news-lesen/psychopathie-etablierte-therapieverfahren-fuer-die-forensik-adaptiert.html (23-06-15)
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