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Werkzeuggebrauch bei Tieren

    Das kreative Nutzen von auf bestimmte Probleme angepassten Werkzeugen, ohne den Einfluss von angeboren Verhaltensmustern oder Prädispositionen, kann wichtige Informationen über zielgerichtetes Handeln beiTieren beinhalten. Einen solchen Werkzeuggebrauch hat man bereits bei vielen Primaten zeigen können, so etwa bei Schimpansen, die verschiedene Stöcke zu einem Termitenbau mitnehmen und diese angemessen nutzen.Dabei sind Schimpansen bis ins hohe Alter lernfähig. Um über das Lernverhalten der Menschenaffen herauszufinden, analysierten Lemoine et al. (2023) zahlreiche Videos von rund 70 Schimpansen aus dem Taï-Schimpansen-Projekt in der Elfenbeinküste, wo seit 45 Jahren mehrere Schimpansengruppen in einem Nationalpark in geschützter Umgebung leben. Die Tiere waren unterschiedlich alt und gerade dabei, Stöcke als Werkzeug zu benutzen, um z.B. Larven aus einem Baum zu holen, was mehrere Schritte erfordert, bei denen sie ihr Werkzeug auf unterschiedliche Weise einsetzen müssen, da z.B. das Einführen des Stocks in das Baumloch eine andere Handhabung des Werkzeugs erfordert als das anschließende Aufspüren und Herausholen der Larven. Die Auswertung der Videos zeigte, dass die Tiere mit zunehmendem Alter zwar deutlich geschickter wurden, aber auch ältere Schimpansen noch Fehler machten – ein deutliches Zeichen dafür, dass Schimpansen auch im Erwachsenenalter noch Neues lernen. Bemerkenswert war auch, dass die verschiedenen Schimpansengruppen im Nationalpark leicht unterschiedliche Herangehensweisen hatten und z.B. die Stöcke unterschiedlich hielten, d.h. Schimpansen entwickeln unterschiedliche Kulturen, weil selbst benachbarte Schimpansengruppen bestimmte Dinge unterschiedlich machen.

    Eine Studie von Berdugo et al. (2024) untersuchte die Effizienz von Schimpansen beim Knacken von Nüssen, ein Verhalten, bei dem die Tiere Steine als Werkzeuge verwenden. In der Forschungseinrichtung von Bossou, Guinea, wurden über einen Zeitraum von 25 Jahren 3.882 Nussknackversuche von 21 Schimpansen analysiert. Dabei zeigten sich erhebliche Unterschiede in der Effizienz der Tiere. Einige Schimpansen knackten die Nüsse schnell und mit wenigen Schlägen, während andere wiederholt scheiterten oder deutlich länger brauchten. Diese individuellen Unterschiede blieben über die Jahre konstant und spiegeln sich in kognitiven sowie motorischen Fähigkeiten wider. Die Studie legt nahe, dass solche Unterschiede Einfluss auf den Energieaufwand der Tiere haben und möglicherweise auch kulturelle Lernprozesse betreffen. Um die Ursachen dieser individuellen Unterschiede besser zu verstehen, sind allerdings weitere Längsschnittstudien erforderlich.

    Bei Nicht-Primaten ist es aber schwierig, Werkzeuggebrauch zu identifizieren, da dieses Verhalten extrem selten, oft nur anekdotisch und normalerweise schwer von angeborenen Verhaltensroutinen zu trennen sind. Obwohl solche Beispiele schon bei Krähen beschrieben wurden, kann man aber den Effekt einer Prädisposition durch angeborenen Nestbau und Werkzeugbau auf das beobachtete Verhalten nicht einschätzen.

    Eine Studie von Laumer et al. (2021) hatte aber schon gezeigt, dass Kakadus in freier Wildbahn wesentlich intelligenter sind, als bisher angenommen. Die Forscher fanden heraus, dass die Vögel in der Lage sind, mehrere Aufgaben gleichzeitig zu lösen und komplexe Probleme zu lösen. Die Studie untersuchte dabei das Verhalten von Wildkakadus in ihrem natürlichen Lebensraum und stellte fest, dass die Vögel in der Lage sind, mehrere Gegenstände gleichzeitig zu beobachten und zu manipulieren. In einem Versuch versperrte man den Vögeln mit einer Folie den Zugang zu einer weit hinten in einer Box liegenden Nuss und stellte ihnen zwei Werkzeuge zur Verfügung: einen kurzen, spitzen Stock, um die Folie zu zerreißen, und einen langen, flexiblen Stock, um die Nuss zu erreichen. So wollte man prüfen, ob die Kakadus den Nutzen eines Werkzeugsets selbst wahrnehmen können. Es zeigte sich dass die Kaktus diese Aufgabe mit großer Leichtigkeit lösten.

    Um zu prüfen, ob der Einsatz des Werkzeugsets nur das Ergebnis einer erlernten Abfolge von Handlungen war, oder die Vögel ein inneres Abbild, also eine mentale Repräsentation der beiden Werkzeuge als Set hatten, führte man ein weiteres Experiment durch: Die Tiere erhielten nach dem Zufallsprinzip abwechselnd Zugang zu zwei verschiedenen Boxen, von denen eine mit einer Folie bedeckt war, eine andere ohne Folie, d. h., je nach Problem wurde einmal das ganze Werkzeugset benötigt, das andere Mal reichte der lange Stock. Auch hier schnitten die Kakadus hervorragend ab, wobei die Tiere vor dem Einsatz des ersten Werkzeugs öfters zwischen beiden Instrumenten hin und her wechselten, wodurch sich ihre Leistung nach diesem Hin-und her-Wechseln verbesserte, denn die Wahrscheinlichkeit, das richtige Werkzeug zu wählen, war nach wiederholtem Wechseln höher.

    Diese Ergebnisse stellen einen wichtigen Beitrag zur Verständnis des intelligenten Verhaltens von Wildvögeln dar und können dazu beitragen, dass Kakadus und andere Wildvögel besser geschützt werden.

    Werkzeuggebrauch bei Orcas

    Eine Studie von Weiss et al. (2025) bringt nun überraschende Erkenntnisse über Schwertwale (Orcinus orca), denn diese Tiere verwenden eigens angefertigte Werkzeuge aus Braunalgen zur gegenseitigen Körperpflege – ein Verhalten, das weit über bloßes Spiel hinausgeht und möglicherweise auf eine kulturbasierte Tradition innerhalb der Population hindeutet. Man beobachtete im Küstengewässer des US-Bundesstaates Washington eine Gruppe von Orcas dabei, wie sie gezielt Stängel der Braunalge Bull Kelp (Nereocystis luetkeana) nutzten. Die Tiere trennten zunächst die langen, flexiblen Algenstiele vom Meeresboden, teilten sie in kürzere Abschnitte und positionierten diese zwischen sich und einem Artgenossen. Anschließend bewegten sich beide Tiere so, dass die Algen über ihre Körper rollten – ein Verhalten, das man als „Allokelping“ bezeichnet. Dabei handelt es sich um ein Pendant zur sozialen Fellpflege bei Landtieren, die nicht nur der Hygiene, sondern auch der Stärkung sozialer Bindungen dient. In 30 dokumentierten Fällen zeigte sich, dass dieses Verhalten unabhängig vom Geschlecht oder Alter praktiziert wurde. Besonders häufig trat Allokelping jedoch zwischen verwandten Walen oder solchen gleichen Alters auf, was auf eine sozial-selektive Komponente hinweist. Zudem fiel auf, dass die Tiere bei Unterbrechung der Interaktion das Werkzeug erneut aufnahmen, was auf ein zielgerichtetes, nicht-spielerisches Verhalten schließen lässt. Anders als bei Delfinen, deren spielerischer Umgang mit Objekten bereits bekannt ist, deutet die standardisierte Ausführung des Allokelpings sowie dessen breite Anwendung innerhalb der Population auf eine Funktion jenseits reiner Unterhaltung hin. Neben dem sozialen Nutzen vermutet man auch eine physiologische Funktion, denn Braunalgen wie Bull Kelp enthalten antibakterielle und entzündungshemmende Substanzen, was sie potenziell zu einem wirkungsvollen Mittel zur Hautpflege macht. Da Wale abgestorbene Hautzellen regelmäßig abstoßen müssen, könnte Allokelping eine effektive Methode sein, diesen Prozess zu unterstützen. Zudem könnte die taktile Komponente – das gezielte Berühren und Rollen der Algen über die Körperflächen – die sozialen Interaktionen innerhalb der Gruppe intensivieren.

    Literatur

    Berdugo, S., Cohen, E., Davis, A. J., Matsuzawa, T., & Carvalho, S. (2024). Reliable long-term individual variation in wild chimpanzee technological efficiency. Nature Human Behaviour, doi:10.1038/s41562-024-02071-8
    Laumer, I. B., Massen, J. J. M., Boehm, P. M., Boehm, A., Geisler, A. & Auersperg, A. M. I. (2021). Individual Goffin´s cockatoos (Cacatua goffiniana) show flexible targeted helping in a tool transfer task. Public Library of Science, 16, doi:10.1371/journal.pone.0253416.
    Lemoine, Sylvain R.T., Samuni, Liran, Crockford, Catherine & Wittig, Roman M. (2023). Chimpanzees make tactical use of high elevation in territorial context. PLoS Biology,, doi:10.1371/journal.pbio.3002350
    Stangl, W. (2023, 8. Oktober). Schimpansen sind bis ins hohe Alter lernfähig. – was stangl bemerkt ….
    https:// bemerkt.stangl-taller.at/schimpansen-sind-bis-ins-hohe-alter-lernfaehig.
    Stangl, W. (2025, 24. Juni). Werkzeuggebrauch bei Orcas als Ausdruck sozialen Verhaltens. Psychologie-News.
    https:// psychologie-news.stangl.eu/5921/werkzeuggebrauch-bei-orcas-als-ausdruck-sozialen-verhaltens.
    Weiss, M. N., John, R. E., Caro-Ruiz, A. M., Ellifrit, D. K., Grimes, C. A., Redmond, T. A., Vargas, A. A., & Croft, D. P. (2025). Manufacture and use of allogrooming tools by wild killer whales. Current Biology, 35(12), R599–R600.
    https://www.vetmeduni.ac.at/universitaet/infoservice/presseinformationen/presseinformationen-2023/flexibler-transport-von-werkzeugsets-bei-goffin-kakadus (23-02-10)


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