Heeringa & Köppl (2022) haben untersucht, welche Informationen der Hörnerv von Mongolischen Wüstenrennmäusen als elektrische Reize ans Gehirn überträgt, wenn den Tieren unterschiedliche Laute vorgespielt werden. Da es eine wesentliche Herausforderung beim Hören ist, die gewünschten Informationen von anderen, Menschen und Tiere ständig umgebenden Hintergrundgeräuschen abzugrenzen, spielten sie den Tieren nicht nur verschiedene einsilbige Sprachproben vor, sondern gleichzeitig Nebengeräusche, die einem Stimmengewirr ähnelten. Diese Geräuschkulisse aus Sprachproben und Nebengeräuschen gelangt als Schallwelle, die das Trommelfell vibrieren lässt, zum Mittelohr. Über die Gehörknöchelchen übertragen sich die Vibrationen auf die Hörschnecke (Cochlea) und schließlich auf die Sinneszellen, die die Vibration in elektrische Impulse umwandeln, welche wiederum vom Hörnerv übertragen werden. Das Ohr übersetzt Geräusche also in einen Code aus elektrischen Impulsen, der im Gehirn wieder decodiert wird und schließlich zur bewussten Wahrnehmung des Gehörten wird. Heeringa & Köppl (2022) fanden heraus, dass die unterschiedlichen Laute nicht für unterschiedliche Anzahlen von Nervenimpulsen sorgen, sondern viel mehr für unterschiedlich lange Pausen zwischen eben diesen Impulsen. Diese unterschiedlichen Zeitmuster stellten die Neurowissenschaftlerinnen grafisch dar und erkannten Unterschiede, je nachdem, ob ein Laut mit einem „a“, einem „e“ oder einem „i“ vorgespielt wurde. Die Muster für die Laute „e“ und „i“, die auch ähnlich klingen und deshalb schnell verwechselt werden, ähnelten dabei allerdings einander, woraus man schließen kann, dass das „Verhören“ bei diesen ähnlich klingenden Lauten bereits im Ohr seine Ursache hat und nicht erst beim Decodieren im Gehirn. Bei einem vergleichbaren Versuch mit Menschen zeigte sich, dass es sowohl Menschen als auch Tieren dabei leichter fiel, zwischen Vokalen als zwischen Konsonanten zu unterscheiden. Und es zeigte sich auch, dass die Tiere in der Praxis tatsächlich Probleme hatten, die Vokale, die in den Versuchen ähnliche Zeitmuster aufwiesen, zu unterscheiden. Trotz kleinerer Unterschiede bei Mensch und Tier vermutet man nun, dass die Mongolische Wüstenrennmaus geeignet ist, als Untersuchungsmodell für das menschliche Hören zu dienen.
Literatur
Heeringa, Amarins N. & Köppl, Christine (2022). Auditory Nerve Fiber Discrimination and Representation of Naturally-Spoken Vowels in Noise. eNeuro, 9, doi:10.1523/ENEURO.0474-21.2021.
https://nachrichten.idw-online.de/2022/04/29/verhoeren-beginnt-schon-in-den-ohren/ (22-04-30)
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