Das menschliche Gehirn verarbeitet Informationen in einem Netzwerk von Milliarden Nervenzellen, die über hundert Billionen Kontaktstellen (Synapsen) miteinander verbunden sind. An diesen Synapsen führen elektrische Impulse einer sendenden Nervenzelle zur Freisetzung von chemischen Botenstoffen, die von nachgeschalteten Nervenzellen empfangen und wieder in elektrische Signale umgewandelt werden. Auf diesem Prinzip der chemischen Signalübertragung basiert die Kommunikation aller Nervenzellen, die in Form von Netzwerken für die Steuerung aller Körperfunktionen verantwortlich sind. Nach der gängigen Lehrmeinung müssen Nervenzellen im Gehirn aktiv miteinander kommunizieren, um funktionsfähige Netzwerke zu etablieren, doch Sigler et al. (2017) haben nun in Tierversuchen an genetisch veränderten Mäusen nachgewiesen, dass sich Nervenzellen in wichtigen Hirnregionen auch ganz ohne aktive Signalübertragung miteinander zu normal strukturierten Netzwerken verknüpfen können, in dem sie die synaptische Botenstoff-Ausschüttung von Glutamat komplett lahmgelegt haben. In dem Versuch haben Nervenzellen im Hippokampus, einer für Lernprozesse essentiellen Hirnregion, Dornen-Synapsen in normaler Zahl und mit einer normalen Verteilung entlang ihrer Fortsätze ausgebildet, auch wenn es keine Botenstoffausschüttung gibt. Es gibt offenbar ein zelluläres Programm im Hippokampus, das die Vernetzung von Nervenzellen in dieser Hirnregion steuert und bei dem synaptische Botenstoff-Signale keine Rolle spielen. Dieses so entstehende Netzwerk bildet in der Folge eine Basis für durch Hirnaktivität ausgelöste Veränderungen der Synapsen-Verschaltung.
Literatur
Sigler, A., Oh, W.C., Imig, C., Altas, B., Kawabe, H., Cooper, B.H., Kwon, H.-B., Rhee, J.-S. & Brose, N. (2017). Formation and maintenance of functional spines in the absence of presynaptic glutamate release. Neuron, 94, 304-311.
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