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Altersbedingte Veränderungen in den Sinnesorganen

Durch die Sinnesorgane werden Informationen über die Umwelt aufgenommen und bilden somit die Grundlage menschlichen Handelns. So hängt etwa die Reaktionsgeschwindigkeit oder die Ausführung einer Tätigkeit entscheidend von der Qualtität dieser Informationen ab. Im allgemeinen lassen alle Sinnesorgane im Alter in ihrer Leistung nach, wobei in den meisten Fällen die Schwäche eines Sinnesorganes nicht durch die gesteigerte Funktion eines anderen kompensiert werden, wie dies etwa Blinde durch ihr Gehör und ihren Tastsinn vermögen. Während einzelne sensorische Einschränkungen meist verarbeitet werden können, ist die eine polymodale sensorische Einschränkung mit bleibenden hohen psychischen Belastungen verbunden. Bei diesen Menschen ist die Orientierung in der Umwelt erschwert, so dass das Gefühl entstehen kann, von der Umwelt abgeschnitten? zu sein.

Ursache der altersbedingten Beeinträchtigungen in den Sinnen sind strukturelle Veränderungen des Körpers aufgrund des Alterungsprozesses, etwa durch Abnutzungserscheinungen oder verminderte Sauerstoffaufnahme durch das Blut. Durch die strukturellen Veränderungen werden die Funktionen der betroffenen Bereiche beeinflußt. So kommt es u. a. zu einer Einschränkung des Hörens höherer Frequenzbereiche oder verzögerte Dunkelanpassung des Auges. Diese funktionellen Veränderungen wirken sich auf die Leistungsfähigkeit von älteren Menschen aus und können ihn bei der Benutzung von Geräten beeinträchtigen. Funktionelle Veränderungen verschiedener Bereiche wie Sehen, Hören, Kraft oder Fingerfertigkeit können auch durch die gleichen strukturellen Veränderungen wie eine verminderte Sauerstoffaufnahme verursacht werden. Dabei müssen nicht bei jedem Individuum alle diese Veränderungen auftreten, vielmehr steigt mit zunehmendem Alter die Wahrscheinlichkeit zu strukturellen Veränderungen des Körpers, wobei die Streuung dabei sehr groß ist.

Da die Sehfähigkeit im Alter abnimmt, muss für ausreichende Beleuchtung, hohen Kontrast und eine große Beschriftung gesorgt werden. Es kommt auch zu einer Verminderung der Sehschärfe, einer verzögerten Scharfstellung und vermehrtem Lichtbedarf. Es wird von älteren Menschen mehr Zeit benötigt, bis ein Objekt scharf wahrgenommen werden kann. Ab dem 40. Lebensjahr nimmt auch die Empfindlichkeit gegen blendendes Licht und Lichtreflexionen zu, wobei die Sehschärfe von den Lichtverhältnissen und dem Kontrast stark abhängig ist. Im Alter verändert sich die Akkomodationsfähigkeit und Nahpunkt-Distanz, d. h., der Linse fällt es schwerer, ihre Krümmung entsprechend der Entfernung des betrachteten Gegenstandes anzupassen. Da die Linse im Alter gelblicher wird, absorbiert sie insbesondere nach dem 70. Lebensjahr mehr Licht vom blau-violetten Teil des Farbspektrums, d. h., Gelb, Rot und Orange können besser unterschieden werden als Blau und Violett. Die nachlassende Akkommodationsfähigkeit des Auges und Verminderung der Linsenklarheit können auch zu einer beeinträchtigten Tiefenwahrnehmung führen, d. h., Entfernungen und die Ausdehnung dreidimensionaler Gegenstände können schwieriger richtig eingeschätzt werden. Durch Veränderungen der Retina wird ab dem 50. bis 60. Lebensjahr die Anpassung an veränderte Lichtverhältnisse verzögert und es kommt zu längeren Gewöhnungszeiten beim Wechsel von einem hell erleuchteten Raum in einen schwach beleuchteten Raum. Insgesamt wird im Alter auch der von einem Auge aus sichtbare Bereich der Umwelt kleiner, d. h., das periphere Sehen ist eingeschränkt.

Die Hörfähigkeit wird durch die Altersschwerhörigkeit bei manchen Menschen eingeschränkt, aber da Gespräche vorwiegend im mittleren Tonbereich ablaufen, spielt die Altersschwerhörigkeit in der alltäglichen Unterhaltung keine so entscheidende Rolle. Allerdings kann das Sprachverstehen beeinflusst werden, da hochtönende und zugleich weiche Konsonanten und Konsonantengruppen nur undeutlich wahrgenommen und unterschieden werden können. verwechselt werden. Bei Männern machen sich diese Veränderungen ab dem 32., bei Frauen ab dem 37. Lebensjahr bemerkbar. Hauptsächlich Töne höherer Frequenzenbereiche werden nicht mehr so gut gehört, wobei hohe Töne werden besonders dann schlechter gehört, wenn diese leise sind. Im Alter kommt es auch zu einer Beeinträchtigung des Hörens durch störende Hintergrundgeräusche (Cocktailparty-Schwerhörigkeit?), d. h., es gelingt nicht mehr, beim bei der Teilnahme an einer Unterhaltung störende Geräusche ausblenden und die Mitteilung des Gesprächspartners aus der Schallvielfalt herauszufiltern. Insbesondere besteht diese Schwierigkeit dann, wenn schnell und undeutlich gesprochen wird. Ursache sind Abnutzungserscheinungen von Gehör-Rezeptorzellen des Innenohrs und Absterben der für die höheren Frequenzen zuständigen Hörzellen.

Beckmann et al. (2020) haben allerdingd gezeigt, dass der plötzliche und vollständige Verlust einer sensorischen Modalität zu einer generellen Beeinträchtigung der Hippocampusfunktion führt, die monatelang anhält, d. h., es gibt eine allgemeine Abhängigkeit der Leistung des Hippocampus von sensorischer Informationen. Die Auswirkungen gehen dabei mit umfangreichen Veränderungen in der Expression von Neurotransmitter-Rezeptoren in Cortex und Hippocampus einher, was mit einer substantiellen adaptiven Reorganisation der cortikalen Funktion einhergeht. Allerdings ist unklar, ob auch ein allmählicher sensorischer Verlust die Funktion des Hippocampus beeinträchtigt. Dennoch könnte ein progressiver altersbedingter Hörverlust ein Risikofaktor für einen kognitiven Rückgang sein. In Untersuchungen an Mäusen haben Beckmann et al. (2020) gezeigt, dass Mäusen, die zwar mit einem intakten Hörvermögen geboren werden, jedoch durch einen angeborenen Gendefekt einen graduellen Hörverlust erleiden, Symptome zeigen, die dem der Altersschwerhörigkeit beim Menschen ähnelt. Man analysierte dabei die Dichte der für die Gedächtnisbildung relevanten Botenstoffrezeptoren im Gehirn der Tiere und verglich die Ergebnisse mit den Gehirnen von gesunden Mäusen. Es zeigte sich, dass sich mit dem Fortschreiten der Schwerhörigkeit auch die Effekte im Gehirn verstärken, wobei die schwerhörigen Mäuse zunehmende Einschränkungen bei ihrer Gedächtnisleistung aufwiesen. Es könnte daher einen Zusammenhang zwischen kognitivem Verfall und altersbedingtem Hörverlust bei Menschen geben, indem auf der Ebene der sensorischen Informationsverarbeitung verhindert wird, dass der Hippocampus effektiv arbeitet. Vor allem war die synaptische Plastizität des Hippocampus stark beeinträchtigt, und die Mäuse zeigten signifikante Defizite im räumlichen Gedächtnis.

Auch der Tastsinn ist bei älteren Menschen nicht mehr so empfindlich, da er aber nicht so stark wie die Sehfähigkeit abnimmt, kann er insbesondere dann, wenn die Sehfähigkeit stark beeinträchtigt ist, als zusätzliche Informationsquelle dienen. Ursache ist hier die Abnahme der Anzahl der funktionierenden Tastsensoren in der Körperoberfläche.

Geruchs- und Geschmackssinn lassen ebenfalls im Alter nach, und insbesondere der Geruchssinn dient oft nicht mehr zur Kontrolle der Umwelt. Während der Geschmack hauptsächlich dem individuellen Wohlbefinden beim Essen dient, erfüllt der Geruchssinn darüber hinaus die Funktion eines Warnmelders bei der Erkennung von Rauch- oder Geruchsentwicklung.

Beweglichkeit, Kraft und Feinmotorik lassen durch körperliche Veränderungen und Verschleißerscheinungen hauptsächlich in den Gelenken nach, wodurch Bewegungen nicht mehr mit der gleichen Energie, Ausdauer und Genauigkeit wie in jungen Jahren ausgeführt werden können.

Literatur

Beckmann, Daniela, Feldmann, Mirko, Shchyglo, Olena & Manahan-Vaughan, Denise (2020). Hippocampal Synaptic Plasticity, Spatial Memory, and Neurotransmitter Receptor Expression Are Profoundly Altered by Gradual Loss of Hearing Ability. Cerebral Cortex, doi:10.1093/cercor/bhaa061.
Kapitel 4: Altersbedingte Beeinträchtigungen. Aus dem SENSI-Katalog Biermann /Weißmantel.
WWW: http://www.emk.tu-darmstadt.de/~weissmantel/sensi/kap4.pdf (03-12-12)


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