Scharrer et al. (2017) haben in einer Untersuchung festgestellt, dass Menschen nach einer Lektüre leicht verständlicher Artikel zu wissenschaftlichen Erkenntnissen ihr eigenes Wissen zu den jeweiligen Themen deutlich überschätzen. Dafür legten sie Probanden Texte zu verschiedenen Themen aus der Medizin vor, wobei zu allen Themen verschiedene Textversionen verwendet wurden, einmal solche, die für deutsche Publikumsmedien verfasst worden waren, zum anderen waren die Themen für Fachzeitschriften aufbereitet worden, die sich an Mediziner wenden. Die meisten Probanden bewerteten beide Textversionen als glaubwürdig, doch fiel dieser Effekt durch Lektüre der für ein Laienpublikum aufbereiteten Texte stärker aus, denn diese erzeugten die Illusion bei den Lesern, dass sie die Themen besser verstanden oder tiefer durchdrungen hätten und weiterer Rat eines Experten nun eher nicht nötig sei. Die Illusion des Verstehens ergibt sich vermutlich daraus, dass die Lektüre populärwissenschaftlich aufbereiteter Texte eine geringere kognitive Anstrengung erfordert, während der Fachjargon und die Detailfülle von Fachartikeln Lesern größere geistige Anstrengungen abverlangt, was in der Regel als Indiz dafür gilt, dass das eigene Wissen und Verstehen in Bezug auf das behandelte Thema doch an Grenzen stößt. Die Autorinnen vermuten auch, dass schon die leichte Verfügbarkeit von Informationen wie durch eine Suchabfrage im Internet eine Illusion des Wissens und Verstehens erzeugt und dadurch eine Selbstüberschätzung des eigenen Wissens auslöst.
Jochen Gebauer, Professor für Kulturvergleichende Sozial- und Persönlichkeitspsychologie an der Universität Mannheim, hat in Untersuchungen festgestellt, dass Yoga zur Selbstüberschätzung führen kann. Yoga löst zwar immer zuerst einmal Glücksgefühle aus, wobei die Yoga-Philosophie annimmt, dass Yoga zu einem realistischeren Selbstbild führt, das schließlich diese Gefühle erzeugen soll. Diese Studie hat jedoch entdeckt, dass das, was die Glücksgefühle erzeugt, die Selbstüberschätzung ist. Generell löst ein realistisches Selbstbild nämlich keine Glücksgefühle aus, während das ein übersteigert positives Selbstbild hingegen schon tut. Man kennt dieses Phänomen seit Jahrzehnten in anderen Bereichen, wie etwa dem Autofahren. Auch Menschen, die sich für die hilfsbereiteste Person der Welt halten oder glauben, der Welt Gerechtigkeit zu bringen, basieren auf Narzissmus, der durch Yoga etwas zuzunehmen scheint. Zwar hat die Selbstüberschätzung im Buddhismus und auch in der christlich geprägten Welt ein schlechtes Image, doch die Forschung zeigte auch, dass sich eine leichte Selbstüberschätzung positiv auf das Wohlbefinden auswirkt. Das gilt übrigens auch für Meditierende untersucht, denn bei vielen Meditationen geht es um liebende Güte, wobei der Effekt ist, dass der meditierende Mensch meint, besonders gütig zu sein, gütiger als andere Menschen.
Literatur
Scharrer, L., Rupieper, Y., Stadtler, M. & Bromme, R. (2017). When science becomes too easy: Science popularization inclines laypeople to underrate their dependence on experts. Public Understanding of Science, 26, 1003-1018.
https://www.spiegel.de/psychologie/yoga-erzeugt-gluecksgefuehle-aber-anders-als-gedacht-a-d6b4333b-d6bc-4bee-bf6b-97e4e0c91537 (22-01-29)
Nachricht ::: Stangls Bemerkungen ::: Stangls Notizen ::: Impressum
Datenschutzerklärung ::: © Werner Stangl :::