Zum Inhalt springen

Das Erkennen der Gefühle anderer

Grundsätzlich gilt, dass kaum ein Mensch seine Gefühle offen vor sich herträgt, vielmehr gibt es die Tendenz, diese zu verbergen oder man überspielt etwa seine schlechte Laune, um ein Fest nicht zu verderben, oder gibt trotz Ängstlichkeit den Anschein, ruhig und gelassen zu sein. Häufig entspringt das Verbergen seiner Gefühle oder gar die Verstellung dem Wunsch, sich sozial akzeptabel zu verhalten oder einer Rollenerwartung zu entsprechen, im Beruf etwa den Eindruck des immer stabilen, verlässlichen Mitarbeiters zu geben. Inwieweit man eine solche Schauspielerei durchschaut, hängt nicht nur davon ab, ob die Person ein guter Schauspieler ist, sondern auch von einem selbst, denn genauso wie Menschen unterschiedlich gut darin sind, sich zu verstellen, ist auch ihr Einfühlungsvermögen unterschiedlich ausgeprägt. Man kann allerdings seine Sensibilität für die Gefühle anderer durchaus schulen, wobei es nicht nur wichtig ist, die volle Aufmerksamkeit auf sein Gegenüber zu richten, sondern es ist auch notwendig, seine eigenen Gefühle genau zu kennen und wie man damit umgeht. Erst dann gilt es, das Verhalten anderer genau zu beobachten, etwa seine Mimik und Gestik, und vor allem muss man der oder dem anderen genau zuhören.

Schulze et al. (2017) haben gezeigt, dass schon Erwartungen an einen Geruch dessen Wahrnehmung beeinflussen. Wenn Menschen jemanden sehen, der ein angewidertes Gesicht macht, weil er einen schlechten Geruch in der Nase hat, kommt ihnen selbst der Geruch auch gleich unangenehmer vor. Dass Menschen denselben Geruch unterschiedlich bewerten, liegt daran, dass der piriforme Cortex sich schon vor der Wahrnehmung des Geruchs einschaltet. Der piriforme Cortex verarbeitet das, was Menschen sehen, und kreiert eine Erwartung, wie der Geruch riechen wird, was dann beeinflusst, wie sie den Duft dann tatsächlich empfinden. In den Daten der Magnetresonanztomographie zeigte sich nämlich, dass die Zellen des piriformen Kortex schon aktiv wurden, noch bevor ein Geruch in der Luft lag. Probanden fanden denselben Geruch also angenehmer, wenn sie vorher ein erfreutes Gesicht gesehen hatten, als wenn ihnen vorher ein angeekeltes Gesicht gezeigt worden war, was sowohl für Aromen wie Karamell oder Zitrone als auch für den Geruch nach Schweiß oder Knoblauch galt, nur den Fäkaliengeruch konnte auch ein positiver Gesichtsausdruck nicht aufwerten.

Anhand kleiner, oft unterbewusster Signale lassen sich sogar bei eher verschlossenen Personen Rückschlüsse darauf ziehen, was sie gerade beschäftigt. In der Regel erkennt man Verstellung oder Schauspielerei an der Inkongruenz zwischen den verschiedenen Äußerungen des anderen, also zum Beispiel eine Differenz zwischen Sprache und Körperhaltung. So weist etwa bei jemandem, der vorgibt, völlig ruhig zu sein, eine angespannte Körperhaltung darauf hin, dass das durchaus nicht so ist. Neben nonverbalen Hinweisen sind es oft Veränderungen oder Auffälligkeiten im Verhalten einer Person, die darauf hindeuten, dass sie etwas beschäftigt, etwa Einsilbigkeit bei Menschen, die normalerweise viel reden, sozialer Rückzug bei eher Extravertierten, aber auch leichte Reizbarkeit oder ein auffälliger Leistungsabfall. Bei allen Mutmaßungen bleibt aber immer auch die Möglichkeit, einfach in geeigneter Weise nachzufragen. Am besten geht man dabei ruhig und diplomatisch vor und signalisiert Interesse am Wohlbefinden der anderen Person, indem man äußert, dass man sich Gedanken oder Sorgen macht, weil sich der andere in letzter Zeit so anders verhält. Wichtig ist dabei, sein Gegenüber nicht zu sehr in die Enge treiben, d.h., es ist dann besser, das Gespräch zu vertagen und zu einem anderen Zeitpunkt wieder aufzunehmen.

Siehe dazu die Arbeitsblätter


Literatur

Schulze, Patrick, Bestgen, Anne-Kathrin, Lech, Robert K., Kuchinke, Lars & Suchan, Boris (2017). Preprocessing of emotional visual information in the human piriform cortex. Scientific Reports, 7, doi:10.1038/s41598-017-09295-x.


Nachricht ::: Stangls Bemerkungen ::: Stangls Notizen ::: Impressum
Datenschutzerklärung ::: © Werner Stangl :::





Ein Gedanke zu „Das Erkennen der Gefühle anderer“

  1. Soviel ich weiß, kann man das nicht so einfach erlernen, das ist eine angeborene Begabung. Es gibt Menschen die nicht fähig sind, die Gefühle anderer zu erkennen, weil sie nicht fähig sind, Mimik, etc. richtig zu interpretieren. Oder habe ich da etwas falsch verstanden? Man sollte überhaupt vorsichtig sein wenn man andere beurteilt, weil Menschen sehr verschieden sind. Jetzt nicht gemeint was das Erlernte betrifft, sondern von dem aus gesehen, was das Gehirn zulässt. Was wir für Psyche halten, könnte oft auch nur Gehirnstruktur sein.

Schreibe einen Kommentar