Zwischen verschiedenen Sprachen zu wechseln, funktioniert oft erstaunlich flüssig, wobei dafür geistige Anstrengung benötigt wird, um eine Sprache abzuschalten, sie also nicht mehr zu verwenden, was auch anhand der erhöhten Aktivität im Gehirn festgestellt werden Kann. Allerdings war bisher unklar, ob tatsächlich das Ein- oder Ausschalten einer Sprache bzw. die Unterdrückung der anderen dafür verantwortlich ist. Die Forschung zur Neurobiologie der Zweisprachigkeit hat bisher nur gezeigt, dass ein Sprachenwechsel kognitiv aufwendig ist und eine exekutive Kontrolle zur Steuerung kognitiver Funktionen erfordert.
Blanco-Elorrieta & Pylkkänen (2017) haben nun nachgewiesen, dass ein Sprachwechsel beim Gespräch mit einer anderen zweisprachigen Person, nicht mehr exekutive Kontrolle erfordert, als wenn man weiterhin die gleiche Sprache spricht. Ausgangspunkt war die Beobachtung, dass die Sprachauswahl in der täglichen Interaktion auf der Grundlage sozialer Hinweise oder des einfachen Zugangs zu bestimmten Vokabeln in einer Sprache im Vergleich zu einer anderen bestimmt wird. Diese Unterscheidung ermöglicht es, dass das Gehirn beim Sprachenwechsel in einer natürlicheren Umgebung nicht so hart arbeiten muss.
Um die neuronale Aktivität zweisprachiger Sprecher unter beiden Umständen zu erfassen, verwendete man die Magnetoenzephalographie, eine Technik, die die neuronale Aktivität abbildet, indem sie Magnetfelder aufzeichnet, die durch die von unserem Gehirn erzeugten elektrischen Ströme erzeugt werden. Es zeigten sich deutliche Unterschiede zwischen künstlichen und natürlichen Umgebungen, insbesondere waren die Hirnareale für die exekutive oder kognitive Kontrolle – das vordere Cingulum und der präfrontale Cortex – weniger an Sprachänderungen in der natürlichen Umgebung beteiligt als in einer künstlichen Umgebung. War es den Probanden der Studie freigestellt, die Sprache zu wechseln, wann immer sie wollten, haben sie sich überhaupt nicht mit diesen Bereichen beschäftigt.
Während ein Sprachwechsel in der künstlichen Umgebung im Hörmodus eine hohe Aktivität der exekutiven Kontrollbereiche des Gehirns benötigt, betrifft beim Hören eines natürlichen Gesprächs der Sprachwechsel nur die auditorischen Cortices. Der neuronale Aufwand für den Sprachwechsel sind daher während eines normalen Gesprächs viel geringer, wenn die Sprecher sich für eine Sprache einmal entschieden haben, als bei einer klassischen experimentellen Aufgabe, bei der die Sprachwahl durch künstliche Hinweise bestimmt wird.
Diese Studie zeigt also, dass die Rolle der Exekutivkontrolle bei der Sprachumschaltung viel kleiner sein dürfte als bisher angenommen. Dies ist bedeutsam für Theorien über den zweisprachigen Vorteil, die davon ausgehen, dass zweisprachige Menschen eine bessere Führungskontrolle haben, weil sie häufig die Sprache wechseln müssen. Diese jüngsten Ergebnisse deuten aber darauf hin, dass dieser Vorteil nur für jene Zweisprachige entstehen kann, die ihre Sprachen nach externen Vorgaben kontrollieren müssen (z.B. durch die Person, mit der sie sprechen müssen) und nicht aufgrund einer Lebenserfahrung in einer zweisprachigen Gemeinschaft, in der der Wechsel völlig freigestellt ist.
Literatur
Blanco-Elorrieta, E. & Pylkkänen, L. (2017). Bilingual language switching in the lab vs. in the wild: The spatio-temporal dynamics of adaptive language control. The Journal of Neuroscience, doi10.1523/JNEUROSCI.0553-17.2017.
Nachricht ::: Stangls Bemerkungen ::: Stangls Notizen ::: Impressum
Datenschutzerklärung ::: © Werner Stangl :::